Im letzten Rundbrief berichteten wir Euch von Lada, deren größter Schmerz es war, von ihrer Mutter nicht geliebt zu sein. Heute erzählen wir Euch von einer Tochter, die von der Liebe ihrer Mutter durchs Leben getragen wurde.
In den ersten Jahren nach Indiens Unabhängigkeit von Großbritannien hat Bakiam fünf Kinder geboren. Sie starben alle kurz nach der Geburt. Ihr könnt Euch vorstellen, wie groß ihre Freude war, als ihr sechstes Kind, eine Tochter namens Pecheammal (sprich: Pitsche-Ammal), bei ihr blieb. Sie lebten in einem Dorf nahe Kovilpatti, und Pecheammal genoss eine unbeschwerte Kindheit. Es ging ihnen gut. Bis die Kleine fünf Jahre alt war... kurz nach ihrer Einschulung fing es an: die kleine Pecheammal mit den langen Zöpfchen wurde von einem Moment auf den anderen bleich und erstarrte, fiel hart zu Boden und wand sich in Krämpfen, die ganz von ihrem zarten Körper Besitz ergriffen und sie hin und her warfen. Diagnose: Epilespie.
Pecheammal ist inzwischen über 60 Jahre alt und wohnt in unserem Long Life Center (LLC).
Im Jahr 2015 haben Celine, Simons Schwester, und ihr Mann Jeba, die das Heim leiten, die damals 94jährige Bakiam und ihre Tochter Pecheammal mit der gleichen Herzlichkeit aufgenommen, mit der sie jedem der ihnen anvertrauten Menschen begegnen.
Einige aus dem Dorf der beiden Frauen waren zum Heim gekommen und hatten die bewegende Geschichte dieser Mutter erzählt, die sich seit über 60 Jahren mit solcher Hingabe um ihre Tochter kümmere, dass sie als Nachbarn nicht umhinkonnten, um Hilfe für die beiden zu bitten. Die Krampfanfälle, die bei Pecheammal mit fünf Jahren begonnen hatten, quälten sie seitdem täglich und hatten ihre Aussicht auf ein Leben, wie wir es als normal empfänden, zerstört. Ihre mittlerweile über 90jährige Mutter Bakiam kümmere sich um sie wie um ein Kleinkind, das gebadet, gefüttert und an der Hand geführt werde.
Als Mutter und Tochter zu uns kamen, bestätigten sich die Berichte der Nachbarn: sie waren unzertrennlich - ein Herz und eine Seele. Auch im LLC war Bakiam weiterhin auf eigenen Wunsch die einzige Vertrauensperson und Pflegerin ihrer Tochter. Auch nachts hielt sie sie, um sie zu schützen. Wir hatten das Vorrecht, ihr von unserem Schöpfer zu erzählen, und sie freute sich über den Schutz, den Er ihr und ihrer Tochter verspricht. Dies war für sie besonders wichtig, da sie nicht wusste, was nach ihrem Tod mit Pecheammal geschehen werde. Eines Abends legte Pecheammal sich sehr zu Bakiams Erstaunen in einem anderen Zimmer schlafen und wurde am nächsten Morgen von ihrer besorgten Mutter gefragt, wo sie denn gewesen sei. Als sie erfuhr, dass andere Mitbewohner und unsere Mitarbeiter sich gern und gut um ihre Tochter kümmern, entspannte sie sich sichtlich, kam nach 98 Jahren eines arbeitsreichen und verantwortungsvollen Lebens zur Ruhe und starb friedlich am folgenden Abend in dem Wissen, dass für ihr kostbares Kind gesorgt war.
Pecheammal konnte die Bedeutung des Todes ihrer Mutter erst nach einiger Zeit erfassen, und es traf sie hart. Durch die Liebe ihrer Mitbewohner und das Vertrauen in ihre neue „Amma“, Celine, ist ihre Lebensfreude zurückgekehrt, und wir freuen uns besonders, dass sie schon seit einem Jahr keinen Krampfanfall mehr erlitten hat. Trotz ihrer Behinderung durch die Epilepsie hat die Liebe ihrer Mutter Pecheammal ein erfülltes, fröhliches Leben geschenkt.
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